PICT4163PRIMIZPREDIGT
für ULRICH EIGENDORF
PRETE NOVELLO E AMICO

Liebe Schwestern und Brüder,
Gemeinsam mit Ihnen möchte ich erst einmal unseren neuen Priester ganz herzlich willkommen heißen und Dir, lieber Uli, zum Empfang der Weihe gratulieren.

Ja, lieber Uli
erlaube mir, dass ich mich heute an diesem Festtag in dieser freundschaftlichen und vertraulichen Anrede an Dich wende. Wenn ich mich recht erinnere, dann ist es etwas mehr als ein Jahr her, dass Du für einige Urlaubstage nach Padua zurückgekehrt bist. An einem Abend während dieser Tage, wir saßen gerade vor einer guten italienischen Pizza, hast Du mich gefragt, ob ich Deine Primizpredigt übernehmen könne. Ich kann mich sehr gut an diesen Moment erinnern, und ich war über diese Anfrage etwas perplex gewesen und benötigte erst einmal einen guten Schluck Wein.


Letztendlich habe ich gern zugesagt, in dem Wissen, dass im Zentrum des heutigen Festes nicht ich und noch weniger meine Worte stehen. Ich wage sogar zu sagen, dass nicht Du es bist, sondern einzig und allein der auferstandene Herr; Seine Gnade, welche Dich und auch das Leben eines jeden von uns umfängt, steht im Zentrum dieser Heiligen Messe.

Das Evangelium, welches Du für diese Eucharistiefeier gewählt hast, ist im Grunde eines der tiefsten und schönsten Zeugnisse, wie der Herr die Augen, das Herz und letztlich den ganzen Menschen verwandeln kann. Die Emmausjünger haben sich an einen Punkt ihres Weges in einer Leere wiedergefunden. Sie waren erfüllt von ihren eigenen Gedanken und von Angst und Enttäuschung über das, was in Jerusalem geschehen war.

Wir hatten gehofft, dass Er es wäre, der Israel befreit….”, sagten die Zwei zu einem etwas seltsamen Wanderer. Wieviel Traurigkeit findet sich in diesen Worten wieder! Wie eigenartig, dass dieses Wort »hoffen« in der Vergangenheit geschrieben ist. Eigentlich ist Hoffnung doch etwas, dass in die Zukunft ausgreifen müsste, aber hier erscheint Gott als eine Erinnerung in der Vergangenheit, eine ‘vergangene Geschichte’. Vielleicht findet sich in diesen Worten auch eine Spitze der Wut gegen diesen Jesus von Nazareth, weil sie ihm mit Enthusiasmus gefolgt sind und am Ende enttäuscht worden waren.

Aber was macht der
Mann, auf den sie getroffen sind? Der auferstandene Herr hat keine Angst, sich an die Seite der beiden Jünger zu begeben. Er trifft sie einfach auf ihrem Weg und er wird zu ihrem Wegbegleiter, ihre Schritte aufnehmend. Besser noch, der Herr wird als solcher noch nicht einmal erkannt: Er ist ein “Ausländer”, der seine Anwesenheit nicht aufdrängt, aber mit Feingefühl und Zielstrebigkeit geht er den Weg mit den beiden Männern. Er nimmt sie so, wie sie sind.

Er spricht mit Ihnen und läßt sie sprechen. Er hilft ihnen, zu sich selbst zu finden und in das Geheimnis Gottes über die Worte der Schrift einzutreten. Obwohl er weitergehen wollte, akzeptiert er ihre Einladung mit Ihnen Rast zu machen. Und so gibt er sich noch einmal ganz in ihre Hände, als er sich in der demütigen Geste des Mahlhaltens, ihnen im gebrochenen Brot selber darreicht.

Und was passiert jetzt an diesem Punkt? In diesem Moment wurden Ihnen die Augen aufgetan und sie erkannten ihn, so sagt es uns das Evangelium. Es ist das Geben der Gabe, welches die verschlossenen Augen öffnet und die verhärteten Herzen verändert, ja öffnet und die müden Beine wieder stärkt.

Es die Logik des Geschenkes – nicht jene des Verdienstes, der Schuld oder der Pflicht – die es diesen beiden Männer erlaubt, ihre Existenz unter einem anderen Blickwinkel zu sehen, von der göttlichen Warte aus, mit seinen barmherzigen Augen.

Bitte erlauben Sie mir an dieser Stelle eine persönliche Bemerkung. Vor vierzehn Jahren wurde ich zum Priester geweiht: Das ist noch nicht richtig viel, aber doch schon ein paar Jahre. Ich bekenne, dass es immer wieder Tage gibt, in denen ich beim Blick in den Spiegel oder auch in der Feier der Eucharistie selber überrascht darüber bin, dass der Herr wahrhaft mich ausgewählt hat. Darauf folgt direkt die Frage: Herr, ich kenne soviel andere Personen, die wesentlich besser diese Berufung leben könnten. Warum hast Du mich ausgewählt und nicht sie?

Es ist dieser Moment, in dem ich zugestehen muss, dass der Herr mich nicht auserwählt hat, weil ich so heiligmäßig lebe oder bin, geschweige denn besser als andere bin. In diesem Augenblick erfasse ich, ja öffnen sich mir die Augen und ich erkenne, dass Er uns auswählt, weil Er barmherzig ist. Es ist Dank seiner Gnade, dass wir Christen und Priester sind.

Hier kommt meines Erachtens ein entscheidender Gestus der Priesterweihe zum Ausdruck. Du, lieber Uli, lagst ausgebreitet auf dem Boden. Ich glaube nicht, dass dies als ein Akt der Erniedrigung interpretiert wird. Mir scheint vielmehr, dass du in diesem Moment eingesehen hast, dass alles in Deinem Leben Gabe Gottes ist und ohne ihn sind wir nicht in der Lage, etwas zu tun.

Auch wenn Du vieles erreicht hast in diesen Jahren der Ausbildung: Du hast viele Jahre im Seminar verbracht und wurdest gut auf diesen Tag vorbereitet. Du hast gebetet, bedacht, studiert und zahlreiche Examen abgelegt. Viele philosophische Bücher wurden durch dich neu gelesen und du kennst sehr detailliert die theologischen Ansätze unserer Zeit, noch dazu beherrschst du sehr gut die italienische Sprache. Darüberhinaus hast du ein Jahr fern der Heimat verbracht, konntest die winterlichen Nebel und die Kälte des Wetters in Norditaliens spüren. Desweiteren wolltest du den Brenner mit Deiner Vespa überqueren, auf Kosten des Motors dieses Zweirades. Aber das können wir hier getrost übergehen.

Und dann gehören verschiedene pastorale Praktika zu Deinem Erfahrungsschatz wie auch die Auseinandersetzung und das Gespräch mit Deinen Ausbildern.

Aber bei allem beachte immer die Erfahrung der Jünger von Emmaus “kehre zurück” auf dieser Strasse und du verstehst, dass du nicht Priester bist, weil du das alles gemacht hast. Du bist Priester aus der Gnade Gottes, weil er mit seiner tröstenden und ermutigenden Anwesenheit dir in diesen Jahren nahe war, so dass dir “das Herz brannte”. Und du hast in deiner Lebensgeschichte, in den Personen, die du getroffen hast, in frohen wie betrübten Tagen, das Angesicht des Fremden erkannt, der dir immer mehr zum persönlichen Freund geworden ist.

Und ich glaube, dass dies eine Sicherheit ist, an die wir uns für unsere Zukunft festhalten können. Und so wird das Hoffen der Vergangenheit der Jünger Jesu zu einem Hoffen in die Zukunft. Dies gilt aber nicht nur für uns Priester, sondern für uns alle: Der auferstandene Herr, selbst in den schwierigsten Momenten unseres Lebens, wenn wir wirklich am Boden liegen, auch wenn unsere Fehler und Sünden uns zu schwer erscheinen, ist er es, der uns aufrichtet, uns begleitet und mit uns schreitet auf unseren Lebensstrassen. Indem der Herr unser Herz und unsere Augen heilt, werden wir auch zu Helfern für andere. Zu ihnen sind wir gerufen und mit ihnen wollen wir unser Leben teilen.

Der Auferstandene ist nicht eine Vergangenheit, oder gelebte Geschichte. Er ist die Realität, demütig und im Stillen agierend, Er ist der Präsente, Er ist unsere Gegenwart.

Als die zwei Jünger von Emmaus nach Jerusalem zurückgekehrt waren, haben sie die anderen Apostel im Abendmahlssaal angetroffen. Dort treffen sie auch auf Petrus, der den Herrn verleugnet hatte und die anderen Jünger. Aber in diesem Saal der Hoffnung, dank des Heiligen Geistes, berichten sich die Jünger nicht mehr Geschichten der Angst und des Fehltretens, sondern sie erzählen sich die Begebenheiten, in denen sich ihnen der Herr geoffenbart hat. Es zeigt sich, dass sich ihr Leben in und durch die Begegnung bereits verändert hat. Für mich ist dies eines der schönsten Bilder für die Kirche und unsere christlichen Gemeinschaften. Ich sehe hier die Kirche als Abendmahlssaal, in deren Mittelpunkt nicht Worte und menschliche Projekte stehen, sondern die Berichte über den auferstandenen Herrn. In der Mitte steht das, was der Herr für uns getan hat, wie seine gnadenhafte Präsenz unsere Tage und unsere Werke transformiert. Sicherlich wollen wir eine perfektere Kirche. Manchmal erscheint es schwierig, in der Kirche zu bleiben, weil sie Fehler hat oder am Abgrund steht.

Aber ich bin fest davon überzeugt, dass nur das Ausharren in der Kirche, so wie sie ist, wahrhaft die Worte der Barmherzigkeit und der Gnade auch in unseren Tagen spürbar und hörbar macht.

Vielleicht ist es unsere Herausforderung, vor der wir stehen, dass wir die Welt daran erinnern – so wie wir es in der ersten Lesung gehört haben – dass für die Wüste der Regen kommt, so erwarten wir für die im Herzen verstörten ein aufbauendes Wort, für die Blinden das Licht, für die Verlorenen, die sichere Strasse. Auch wenn vieles auf dem ersten Blick hoffnungslos erscheint, so dürfen wir uns doch nicht von den Zweifeln überwältigen lassen. Wenn wir es schaffen, Sakrament dieser präsentischen Erinnerung zu sein, Vergegenwärtigung dieser feinfühligen und zugleich starken Anwesenheit, dann wäre schon viel erreicht. Ich glaube, dass viele ein aufbauendes Wort erwarten und wissen, dass man durch das Geben eine Möglichkeit der Hoffnung eröffnen kann. Ab heute erwarten viele von Dir, lieber Uli, diese Verkündigung der Hoffnung durch dein Wort, und mehr noch durch das Zeugnis deines Lebens, so wie es ist und so wie Gott es transformieren und segnen will.

Hier komme ich zum Ende, sonst riskiere ich noch das Versprechen, welches ich Dir gegeben hatte, zu brechen, und doch zu lange zu predigen. Es sollte eine einfache und kurze Predigt sein. Ich denke, dass die Wünsche von uns allen hier am besten im Evangelium von heute enthalten sind. Es soll Dein Evangelium werden und Du sollst zum Evangelium, zur Frohen Botschaft für andere werden. Ich bete für Dich und begleite Dich gern auf Deinen ersten Schritten des priesterlichen Dienstes, die von Hoffnung und vielleicht auch von etwas Furcht geprägt sind. Du bist nicht allein und auch als Priester nicht allein. Der Heilige Geist hat dich in der Priesterweihe gesegnet, aber nicht nur dich, sondern auch Deine Beziehungen und Freundschaften.

Dein Leben hat sich verändert und dadurch verändert es auch das unsrige. So bete nicht nur ich, sondern alle die hier versammelt sind, für dich und mit Dir, dass Du dem Herrn dienen mögest mit der Frische Deines Glaubens und mit Deiner Entschiedenheit, die Deinen offenherzigen Charakter auszeichnet. Wir beten auch, dass Du gerade über alle Prüfungen und Mühsal, die Dir nicht ersparrt bleiben werden, ein zufriedener Priester wirst.

Und, so Gott will, werde ich in einigen Jahren mein 25jähriges Priesterjubiläum feiern und dann ist es an Dir, die Predigt zu halten.

Alles Gute und Gottes Segen auf Deinen Weg.

Buon cammino!

con amicizia e molta stima 
don Fabio Frigo